„Ich habe etwas gesucht, das ein bisschen verrückt ist“

„Ich habe etwas gesucht, das ein bisschen verrückt ist“

17. Juni 2020

Während ihres Studiums hat Linda Qerimi eine Sinneswandlung durchgemacht. Sie wechselte ihr Studienfach von Betriebswirtschaftslehre zu Physik. Nun studiert sie das Fach auf Lehramt an der Ludwig-Maximilians-Universität. Die 24-Jährige erzählt im Interview warum sie sich dafür entschieden hat und warum das für sie eine sehr gute Entscheidung war.

Wann und warum hast Du dich für Physik begeistert?

Ich habe mich relativ spät für die Physik begeistert. Davor habe ich BWL studiert. Im letzten Semester habe ich gemerkt, dass ich mit der BWL nicht zufrieden seien werde und etwas gesucht, das herausfordernd und ein bisschen verrückt ist. Die Physik habe ich also erst in der Universität ins Herz geschlossen, aber dann so richtig.

Was fasziniert dich am „verrückten“ Fach Physik?

Mich fasziniert es immer wieder aufs Neue, was alles bereits entdeckt wurde und was für eine Bedeutung die Gesetze der Physik für unsere Existenz haben. Die Beschreibung von Phänomenen im atomaren und subatomaren Bereich bis hin zum Studium astronomischer Phänomene. Es ist vieles dabei, was auf den ersten Blick unglaublich erscheint. Und die vielen Fragen, die noch offen sind, machen die Physik zu einer lebendigen Wissenschaft, die jeden von uns teilhaben lässt.

Wie hast Du den Physikunterricht in der Schule empfunden?

Ich habe die Schule mit der Mittlere Reife verlassen und mein Abitur auf dem beruflichen Weg nachgeholt. In der 8. Klasse habe ich damals gemerkt, dass ich in Physik und Mathe sehr gut bin, aber leider habe ich mich ein wenig davon distanziert, weil meine Freundinnen nicht so interessiert waren. Dadurch habe ich mein Interesse als unüblich empfunden. Im Nachhinein war das sehr schade. In der 10. Klasse hatte ich tatsächlich einen Physiklehrer, der meinte, die Physik sei eher nichts für Mädchen und unterstützte den Gedanken, den auch ich damals hatte, dass das unüblich sei.

Dass sich wenige Mädchen für die Physik begeistern, ist teilweise auch ein gesellschaftliches Problem. Wir halten an Rollenbildern fest, die nicht berechtigt sind und lassen nur langsam Veränderungen zu.

Gibt es eine Lieblingsdisziplin für Dich in der Physik?

Alle Bereiche in der Physik sind beeindruckend, aber ganz besonders finde ich die Quantenphysik. Sie bricht mit den klassischen Vorstellungen und lässt damit eine neue Art des Denkens zu. Sich mit der Quantenphysik zu beschäftigen ist, egal wie viel man schon darüber gelesen hat, immer wieder aufs Neue spannend und das liebe ich.

Warum möchtest Du Lehrerin werden?

Es gibt viele Gründe warum ich Lehrerin werden will. Einer der Hauptgründe sind Schülerinnen und Schüler dabei zu helfen, zu einem selbstbestimmten und solidaritätsfähigen Erwachsenen zu werden. Außerdem möchte ich meine Begeisterung für die Physik mit den Schülerinnen und Schülern teilen. Sie sollen verstehen, dass Physik nicht „nur ein Schulfach“ ist, sondern ein Gefühl dafür entwickeln wofür Naturwissenschaften nützlich sind. Mein Ziel ist es, sie davon zu überzeugen, Physik als Faszination zu erleben. Eine Faszination, die nie aufhört wird. Selbstverständlich kann ich nicht erwarten, dass jeder Physik lieben wird, jedoch möchte ich, dass man Freude am Physikunterricht hat und die Chance sieht, der Welt mit einer neuen Sicht zu begegnen.

Was glaubst Du, wie könnte man vor allem Schülerinnen für ein Physikstudium begeistern?

Um Schülerinnen für ein Physikstudium zu begeistern, sollte man Rollenbilder ablegen. Ein Physikstudium ist nicht nur für Männer machbar. Auch Mädchen, die neugierig und interessiert daran sind die Welt bzw. das Universum genauer zu verstehen, fühlen sich in einem Physikstudium wohl.

Dass sich Mädchen bereits in der Schule deutlich weniger für Physik interessieren als für andere Schulfächer und auch weniger als Jungen im selben Alter, ist bekannt. Daher ist es wichtig, die Neugier zu wecken und vor allem selbständiges naturwissenschaftliches Arbeiten zu ermöglichen. Durch eigenständiges Ausprobieren, zum Beispiel bei Schülerexperimenten, kann man Selbstsicherheit und Selbstvertrauen gewinnen. Damit schaffen wir gute Voraussetzungen für ein Physikstudium zu begeistern.

Was meinst Du, welche Technologien werden uns in 100 Jahren zur Verfügung stehen, wie sieht die Welt dann aus?

Wenn ich darüber nachdenke, was wir vor 100 Jahren alles an neuerworbenen Erkenntnissen hatten, dann bewegen wir uns ungefähr in der Zeit, in der Max Planck für die Entwicklung der Quantentheorie einen Nobelpreis erhalten hat. Bis heute hat sich in der Quantenphysik viel getan. Ich bin sicher, dass uns in 100 Jahren Technologien zur Verfügung stehen werden, die jetzt noch gar nicht denkbar sind.