Das Prinzip einer Stimmgabel

Das System basiert auf Technologien, die im Labor für Attosekundenphysik für die Ultrakurzzeitmetrologie entwickelt wurden. Das neue Laserspektrometer, gebaut vom Team um Dr. Ioachim Pupeza, beruht auf der Emission extrem starker Infrarot-Laserpulse über ein breites Spektrum im infraroten Wellenlängenbereich, die nur Femtosekunden dauern (eine Femtosekunde ist ein Millionstel einer milliardstel Sekunde, 10-15s). Das Prinzip dahinter: Moleküle werden durch die ultrakurzen Infrarot-Laserpulse zum Schwingen angeregt. Die Lichtpulse wirken auf die elektronisch gebundenen Teilchen ähnlich wie ein kurzer Hammerschlag auf eine Stimmgabel. Danach schwingen die Moleküle selbständig weiter und senden dadurch kohärentes Licht mit charakteristischen Wellenlängen/Frequenzen aus. Die neue Technologie detektiert dabei die gesamte schwingende Lichtwelle. Jede molekulare Verbindung schwingt bei bestimmten Eigenfrequenzen und trägt damit einen wohldefinierten Anteil zur detektierten Lichtwelle bei. Hier kann sich kein Molekül mehr verstecken. „Wir haben mit unserem Laser nun einen breiten Wellenlängen-Bereich im Infrarot, von 6 bis 12 Mikrometer, für die Anregung von Molekülen abgedeckt“, erklärt Marinus Huber, Co-Erstautor der Studie und Mitarbeiter im Team von Biologin Dr. Mihaela Zigman, deren Team im Labor für Attosekundenphysik ebenfalls an den Experimenten beteiligt war. „Anders als etwa die Massenspektroskopie gewährt uns diese Methode Zugang zu allen Molekültypen, aus denen biologische Proben zusammengesetzt sind“, erklärt Zigman.

Die kurzen Laserpulse zur Molekülanregung bestehen aus nur wenigen Schwingungen des Lichts. Das System erreicht dabei eine zweimal höhere Strahlungs-Brillanz, also Dichte an Photonen, als konventionelle Synchrotrons, in denen bisher Strahlung für ähnliche Molekularspektroskopie erzeugt wurde. Zudem ist die Infrarot-Strahlung räumlich und zeitlich kohärent. Alle physikalischen Parameter zusammen sind verantwortlich für die extrem hohe Sensitivität des neuen Lasersystems. Somit können auch sehr kleine spezifische Molekülkonzentrationen detektiert und damit der „molekulare Fingerabdruck“ sehr genau erstellt werden. Die neuen physikalischen Parameter ermöglichen es nun erstmals, wasserhaltige lebende Proben, die bis zu 0,1 mm dick sind, mit Infrarotlicht zu durchleuchten und dadurch mit bisher nicht dagewesener Empfindlichkeit zu analysieren. In ersten Experimenten mit der neuen Technologie hat das LAP-Team bereits feste Organismen, wie Blätter und lebende Zellen, aber auch Blutproben erkundet. Es ist faszinierend, elektrische Signale aus Molekülen mit einer so hohen Empfindlichkeit nachzuweisen, zeigen sich Ioachim Pupeza und Marinus Huber begeistert. „Diese präzise Messung von Veränderungen in der molekularen Zusammensetzung von Körperflüssigkeiten eröffnet neue Möglichkeiten in der Biologie und Medizin und könnte künftig insbesondere in der Frühdetektion von Krankheiten, Anwendung finden,“ ergänzt Zigman.

 

Originalpublikation:

Ioachim Pupeza, Marinus Huber, Michael Trubetskov, Wolfgang Schweinberger, Syed A. Hussain, Christina Hofer, Kilian Fritsch, Markus Poetzlberger, Lenard Vamos, Ernst Fill1, Tatiana Amotchkina, Kosmas V. Kepesidis, Alexander Apolonski, Nicholas Karpowicz, Vladimir Pervak, Oleg Pronin, Frank Fleischmann, Abdallah Azzeer, Mihaela Zigman, Ferenc Krausz

Field-resolved infrared spectroscopy of biological systems

Nature 2. Januar 2020 doi 10.1038/s41586-019-1850-7