Rolex der Antike
Ansicht des freigelegten Teilstücks der antiken Meridianline des Horolgium Augusti unterhalb des Kellers eines Wohnhauses in der Via di Campo Marzio in Rom. | © Foto: Lalulpa

Rolex der Antike

Das Horologium des römischen Kaisers Augustus informierte nicht nur über den Lauf der Zeit, sondern auch über Anspruch und Status seines Erbauers.

24. September 2021 | von Dr. Veit Ziegelmaier

„Was kostet die Welt? Geld spielt keine Rolex!“: Uhren sind schon längst nicht mehr nur Instrumente zur präzisen Zeitmessung. Sie gelten mitunter als etwas Besonderes, als ein Distinktionskriterium, das den eigenen Habitus untermauert. Sie sind modisches Accessoire, Ausdruck technischer Raffinesse, kostbare Antiquität oder schlichtweg Statussymbol, dessen Wert heutzutage gerne mal den Preis einer Limousine überschreiten kann. Mal protzig, mal auf Unterstatement setzend. Dass das nicht erst seit der Neuzeit so ist, beweist ein Beispiel aus der römischen Antike: das Horologium des Kaisers Augustus. Was das im Kontext von photonworld mit Licht zu tun hat? Nun ja, es handelt sich dabei um eine Art Sonnenuhr.

Vor dem Palazzo Montecitorio, dem heutigen Sitz der Abgeordnetenkammer des italienischen Parlaments, erwartet den Romreisenden ein imposanter Anblick: mit einer Schaftlänge von knapp 22 Metern ragt seit 1792 ein altägyptischer, mit Hieroglypheninschrift versehener Obelisk hier in den Himmel empor und man darf sich zurecht fragen, was es mit diesem Objekt, das im Kontext seiner Aufstellung wie aus Raum und Zeit gefallen scheint, auf sich hat. Antwort zur Herkunft und Geschichte dieser erst zur Mitte des 18. Jahrhunderts in Rom in fünf Fragmenten wiederentdeckten steinernen Stele können Historiker und Archäologen geben. Der Obelisk stammt ursprünglich aus dem 6. vorchristlichen Jahrhundert und wurde unter der Herrschaft des Pharaos Psammetich II im ägyptischen Heliopolis, einem bedeutenden Zentrum zur Verehrung des Sonnengottes Ra, aufgestellt.

Der Obelisk des Horologium Augusti steht seit 1792 vor dem Palazzo di Montecitorio. (Foto: jimmyweee)

Obelisken sind vierkantige monolithische Steinpfeiler, die sich zur Spitze hin verjüngen und von einem pyramidalen Abschluss bekrönt werden. Ideologisch gelten sie als Manifestation eines Strahls der göttlich verehrten Sonne und schaffen somit eine sinnbildhafte Verbindung zwischen Erde und Himmelreich. Ihr sich im Laufe des Tages verändernder Schattenwurf wurde metaphorisch als die tägliche Reise des Sonnengottes Ra auf seiner Barke von Osten nach Westen gedeutet. Damit verbindet sich mit dem Obelisk, der den unabänderlichen Verlauf der Tages- und Jahreszeiten mittels seines Schattens wiedergibt, auch das Symbol göttlicher Weltordnung. Mit seinem phallisch aufragenden Erscheinungsbild, gefertigt aus einem einzigen Block aus hartem Gestein wie Granit, der, mit einem Ewigkeitsanspruch versehen, den Witterungen trotzt und die Zeiten überdauert und das Behauen, Brechen, den Transport und die Aufstellung zu einer schieren Kraftanstrengung macht, verkörpert er aber auch die Macht und den Status des jeweiligen Herrschers, der das Objekt der Verehrung nicht ganz uneigennützig als vermeintlich devotes Weihgeschenk in den Sonnenheiligtümern aufrichten ließ.

Augustus, 63 v.Chr. bis 14 n. Chr. war der erste Kaiser des römischen Reiches. Hier sein Porträt aus der Glyptothek München.

Augustus, der erste römische Kaiser, der sich 31. v. Chr. mit dem Sieg in der Seeschlacht von Actium gegen Marcus Antonius und Kleopatra VII. die Alleinherrschaft im römischen Reich sicherte, ließ in seiner Regentschaft als primus inter pares den Obelsiken Psammetichs II. im Jahr 10 v. Chr. nach Rom verfrachten, wo er knapp 2000 Jahre vor seinem heutigen Aufstellungsort auf dem damaligen Marsfeld als Teil einer groß angelegten Anlage auf einem fünf Meter hohem Sockel und bekrönt von einer Kugel installiert wurde. Rein funktional betrachtet, diente er dort als Gnomon, als schattenwerfender Zeiger, einer Form von Sonnenuhr. Verwendung und Funktionsweise von Sonnenuhren sind schon für das antike Griechenland belegt, wobei die Griechen, laut dem Geschichtsschreiber Herodot, diese wiederum von den Babyloniern übernommen hatten. Für die augusteische Anlage zur Messung des Zeitenverlaufs ist vom römischen Historiker Plinius dem Älteren, der später im Jahr 79. nach Christus Opfer des Vesuvausbruch rund um Pompeij wurde, eine spätere, jedoch zeitnahe Beschreibung überliefert. So berichtet dieser davon:

„Augustus nutzte den Obelisken auf dem Marsfeld auf eine bemerkenswerte Weise, nämlich um einen Schatten zu werfen und so die Länge der Tage und der Nächte zu markieren. Eine Pflasterung war angelegt, so auf die der Höhe des Obelisken abgestimmt, dass der Schatten des Obelisken am kürzesten Tag die Ecke der Pflasterung berührte. Die kürzer und länger werdenden Schatten wurden durch Bronzemarkierungen im Marmor gemessen.“ (Plinius, Hist. nat., 36,72)